Gerade im Moment verbringen wir ja alle sehr viel Zeit zu Hause! Die Musikstunden, Sportunterricht und was man alles so an Freizeitbeschäftigungen hat fällt weg. Selbst Gottesdienste oder Treffen mit Freunden und Familie können nicht mehr statt finden. Jetzt stellt sich raus, wie gut wir als Familie harmonieren und wo es im Zusammenleben doch noch hakt.
Hier habe ich eine Geschichte für euch, die dieses Thema schön aufgreift (ist auch super für Kinder geeignet!):
Familienrat
Silas drehte sich wütend zur Wand und ignorierte seinen Papa. Der wollte ihm und seinen Schwestern noch „Gute Nacht“ sagen. Aber das konnte er sich schenken. Was sollte an dieser Nacht bitte schön gut sein? Draußen auf dem Campingplatz konnte Silas die anderen Kinder hören. Die hatten es gut! Sie durften im Dunklen Verstecken spielen und er musste ins Bett. Da war es doch klar, dass er damit ganz und gar nicht einverstanden sein konnte. Tja, und das hatte er dann auch gesagt, vorhin, als Mama ihn und seine Geschwister holen kam. Laut und deutlich. Sehr laut, wenn er ehrlich war, und vielleicht auch ein bisschen frech. Aber er hatte ja auch allen Grund dazu. Überhaupt war es der allerblödeste Urlaub, den er sich denken konnte. Ständig nörgelten Mama und Papa an ihm herum, Lena und Julia nervten, und immer wenn es am schönsten war, musste er zum Essen kommen, eine Wanderung mitgehen – oder ins Bett. Da hätte er doch gleich zu Hause bleiben können. Während Silas seinen trüben Gedanken nachhing, wurde er müde, und erstaunlicherweise schlief er trotzdem richtig gut.
Als Silas am nächsten Morgen aufwachte, hatte er den Ärger vom Vorabend erst mal vergessen. Zum Frühstück auf der Terrasse gab es leckeres Baguette und Croissants. Sogar Spiegeleier und Speck hatte Papa gebraten. Die Sonne schien, und als Silas‘ neuer Freund Tom an ihrem Platz vorbeikam, verabredeten sie sich gleich zum Fußballspielen.
„Es wird aber noch ein Weilchen dauern, bis Silas kommen kann. Wir müssen zuerst noch was besprechen“, wandte Mama ein.
„Klar, komm dann einfach, wenn du so weit bist“, meinte Tom und ging schon mal weiter in Richtung Bolzplatz.
Silas hatte einen roten Kopf bekommen. Mann, war ihm das peinlich. Tom hatte den Ärger gestern ja schließlich mitbekommen, und an seinem mitleidigen Grinsen konnte man erkennen, dass er sich diese Art der „Besprechung“ sehr genau vorstellen konnte. Schweigend kaute Silas an seinem Baguette und schaute auf die Tischdecke.
„Wenn wir abgeräumt haben, möchten wir Familienrat halten. Mama und ich denken, dass es besser ist, wenn wir dabei ganz ungestört sind. Deshalb treffen wir uns in der Essecke im Mobilhome“, erklärte Papa.
Silas sah seine Chancen auf das Fußballspiel schwinden. Familienrat und dann auch noch „ungestört“ im Mobilhome. Das klang nach einer Menge Ärger. Er schaute zu Lena und Julia hinüber. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schienen sie seine Befürchtungen zu teilen.
Kurz darauf saß die ganze Familie um den Esstisch versammelt. Mama schloss die Tür. Es war seltsam, bei dem schönen Wetter drinnen zu sitzen. „Mama und ich haben gemerkt, dass wir in den letzten Tagen als Familie ziemlich viel Ärger miteinander hatten. Wir möchten das gerne ändern und mit euch zusammen überlegen, wie wir das besser hinkriegen,“ leitete Papa ein.
„Aber zuallererst wollen wir gemeinsam überlegen, was es denn bis jetzt schon Schönes gegeben hat,“ meinte Mama. Sie legte ein großes Blatt auf den Tisch und malte eine Sonne darauf. „Ich schreibe auf. Was fällt uns ein, das bisher gut war?“
Silas, Julia und Lena blickten überrascht auf. Damit hatten sie nun gar nicht gerechnet. „Mir hat das Picknick am Meer gefallen“, begann Papa. „Ich fand den Abend schön, an dem wir so lange Kniffeliger gespielt haben“, machte Julia weiter. „Der Fußballplatz ist cool und dass du, Papa, manchmal auch mitspielst“, fügte nun Silas hinzu. „Mir gefällt es, wenn Julia und Mama mit mir in den Pool gehen“, ergänzt Lena. „Ich bin froh, dass ich hier so richtig Zeit zum Lesen habe“, meinte Mama. Immer mehr Dinge fielen ihnen ein und am Ende war das Blatt fast vollgeschrieben. „Ich glaube, das reicht erst mal. Also so ganz schrecklich ist unser Urlaub, glaube ich, doch nicht, wenn ich mir das alles so anschaue“, grinste Mama. Auch Papa, Julia, Silas und Lena saßen jetzt gut gelaunt um den Tisch herum. Ganz anders als zu Beginn. „Das ist das eine, was wir gemerkt haben“, erklärt Papa. „Ganz schnell vergessen wir, was gut und schön ist, und sehen nur noch das Schwierige. Es ist wichtig, dass wir beides in den Blick nehmen. Das Gute und das Schwierige. Was meint ihr, schaffen wir es, uns jetzt auch das Schwierige zu sagen und zusammen zu überlegen, wie wir das besser hinkriegen?“ Kopfnicken bei allen reihum, aber dann herrscht erst einmal Schweigen. „Für mich war es sehr schwierig, dass du, Silas gestern so laut über den Campingplatz gebrüllt hast und dabei auch noch frech warst. Vor den anderen Leuten war mir das total peinlich“, begann Mama. Silas mochte das nicht gerne hören. Aber er konnte Mama verstehen. Er wusste ja selbst, dass das nicht okay gewesen war. „Entschuldige Mama“, sagte er deshalb und erklärte dann: „Für mich ist es aber auch echt blöd, wenn wir schon ins Bett müssen und die andern noch draußen spielen dürfen.“
„Für Papa und mich ist es aber auch wichtig, dass wir abends noch Zeit zu zweit haben, und die beginnt halt erst, wenn ihr im Bett seid“, erwidert Mama. „Wie wäre es denn, wenn wir uns selbst ins Bett bringen. Ihr dürft auf der Terrasse sitzen und müsst euch um nichts kümmern. Aber dafür dürfen wir dann auch länger draußen bleiben“, schlug Julia vor. Damit waren alle einverstanden und der erste schwierige Punkt war gelöst. Nachdem das geschafft war, wurde es leichter, auch andere Dinge anzusprechen und zusammen nach Lösungen zu suchen. „Manchmal ist so ein ungestörter Familienrat doch was richtig Gutes“, grinste Silas zufrieden, als alles besprochen war. „Dann mal viel Spaß mit Tom auf dem Fußballplatz“, verabschiedete ihn Papa, „mach dich schon mal warm, ich komme auch gleich dazu.“
Mit freundlicher Erlaubnis von Gerth Medien, entnommen aus dem Buch „Picknick in der Badewanne“ von Elisabeth Vollmer
So ein Familienrat ist was Tolles!
Manchmal hilft es, wenn man sich gegenseitig wieder an die schönen Dinge im Leben erinnert und vielleicht tatsächlich sogar aufschreibt. Gerade im Moment ist die Gefahr groß sich von schlechten Nachrichten erschlagen zu lassen, aber wenn man genau hinsieht, finden wir bestimmt noch viele Dinge für die wir dankbar sein können! Und dann lässt sich auch viel leichter das eine oder andere Problem ansprechen.